Origami Engineering auf dem Vormarsch
Origami Engineering geht weit über das kunstvolle Falten eines Kranichs oder Segelbootes hinaus. In den vergangenen Jahrzehnten wurde der praktische Nutzen der uralten fernöstlichen Falt-Technik wiederentdeckt und für viele technische Innovationen nutzbar gemacht. Industrielle Anwendungen der Falttechnik finden sich mittlerweile in Raumfahrt, Bauwirtschaft und Architektur bis hin zur Oberflächentechnik, Medizin, Robotik und Verpackung.

Welche Vorteile bietet die Origami Technik?
Origami Engineering findet überall dort Anwendung, wo Strukturen aus räumlichen oder funktionalen Gründen verkleinert und anschließend vergrößert werden sollen. So müssen etwa ein Airbag, ein Cabriodach oder eine Raumsonde platzsparend gefaltet werden, bevor sie zum Einsatz kommen.
Der Pioneer des Origami Engineering, Robert Lang, setzte bereits vor zehn Jahren die Prinzipien des Origami bei der Entwicklung von Airbags ein. Er entwickelte einen Algorithmus für die optimalen Faltlinien des Airbags. Durch dieses Verfahren waren weniger Airbag-Crashtests erforderlich, was den Hersteller:innen viel Zeit und Geld sparte.
Dasselbe Prinzip wird bei medizinischen Geräten und Implantaten angewendet, die sich auf eine minimale Größe zusammenklappen und anschließend auf die richtige Größe entfalten lassen. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar, etwa bei Zahnpastatuben, die sich komplett ausdrücken lassen.
Quelle: Origami Designer Kristina Wißling, Falten in unterschiedlichen Farben und verschiedenen Größen für den nächsten Fertigungsschritt.
Oft geht es auch darum, durch entsprechende Falt-Techniken für mehr Stabilität zu sorgen. Flächige Materialien, in die Falten eingebracht werden, sind belastbarer und haben zudem schockabsorbierende Eigenschaften. Ebenso wird die Druckfestigkeit und Steifigkeit von Objekten erhöht. Lösungen für stabile Verpackungen, die ohne Einschnitte aus einem Stück produziert werden, können diesbezüglich ein Anwendungsfeld darstellen.
Darüber hinaus können mit Origami Materialkosten und Zeitaufwand eingespart werden. So lassen sich selbst komplexe Bauteile ohne Kleben, Nieten oder Schweißen aus nur einem Stück herstellen, Kosten für Lagerung und Transport durch Volumenersparnisse senken und die Anzahl der benötigten Arbeitsschritte in Produktion und Anwendung verringern.
„Technisches Origami ist einzigartig, effizient und bietet breitere Anwendungsmöglichkeiten als herkömmliche Fertigungsverfahren.“ Kristina Wißling, Geschäftsführerin von „Origami für die Industrie“
Origami in der Verpackung
Das ungewöhnliche Verpackungsdesign des Nike Sportballs brachte Nike sogar den DuPont Diamond Awards Finalist Status ein. Die kreative Kombination von geodätischem Design und Origami Elementen zeichnet sich vor allem durch den geringen Materialaufwand und hohe Sichtbarkeit des Produkts aus. Zusätzlich weist die Verpackung eine günstige CO2-Bilanz auf. Insgesamt schafft die Verpackung somit eine hohe Anziehungskraft des Produkts und stärkt die Marke. Mehr zur Verpackungstechnik von Richard Fan, Senior Structural Designer, OIA Global:
Miura-Faltung für gekrümmte Flächen
Die Materialforscher:innen der Harvard University in Cambridge haben hoch gesteckte Ziele. Sie wollen mit Origami-Technik jede beliebige Form mit einer passenden Faltung umsetzen, Häuser bauen und Nanostrukturen entwickeln. In einer Studie konnten die Forscher:innen nun nachweisen, dass sich auch gekrümmte Oberflächen mit der sogenannten Miura-Faltung problemlos zusammenfalten lassen.
Der ausschlaggebende Vorteil der Miura-Faltung ist in ihrer ungewöhnlich hohen Flexibilität zu finden. Denn mit dieser Falttechnik lassen sich auch gekrümmte Flächen wieder falten, so etwa eine geschwungene Vase, eine Kugel oder ein hyperbolischer Paraboloid. Die entwickelte Software berechnet z.B. aus der Vase die dafür nötige Lage der Faltkanten und liefert die Daten an eine Fertigungsmaschine. Einsatzmöglichkeiten sind beispielsweise in der Raumfahrt, in der Verpackungsindustrie oder der minimalinvasiven Chirurgie denkbar.
Origami „Zippered Tube“ für dicke Materialien
Eine der größten Herausforderungen des Origami Engineering ist das Falten dicker Materialien. Sie lassen sich meist nur knicken, wenn man sie durchschneidet und mit Scharnieren versieht. Das Falten funktioniert bei dieser Technik dann nur in eine Richtung. Doch mittlerweile haben Forscher:innen den Origami „Zippered Tube“ entwickelt, der dieses Problem löst und neue strukturelle Optionen eröffnet. Die Falttechnik und einige Prototypen werden hier näher erläutert:
DNA Origami – Transportroboter aus DNA
Die Grundprinzipien des Origami haben auch in der Nanotechnologie und Biomedizin Einzug gehalten, wenn auch derzeit noch vorwiegend in der Grundlagenforschung. Als DNA-Origami bezeichnet man Methoden zur Faltung von DNA, um beliebige zwei- und dreidimensionale Formen im Nanomaßstab zu erzeugen. So gesehen zweckentfremden Nanoforscher:innen beim DNA-Origami die DNA als Baumaterial für Objekte im Nanometermaßstab.
Aus den unterschiedlichen Methoden und den schier grenzenlosen Möglichkeiten für Formen und Strukturen aus DNA ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in Medizin, Biochemie, Physik und Materialwissenschaften. In Zukunft sollen die Winzlinge mit nützlichen Funktionen versehen werden:
- DNA-Formen könnten medizinische Wirkstoffe einschließen und diese im Körper bzw. in Zellen gezielt freisetzen (z.B. Wirkstoffe werden in Anwesenheit bestimmter DNA-Sequenzen oder anderer Signalmoleküle freigegeben).
- Bestimmte DNA-Formen könnten in Zukunft dazu genutzt werden, um in einem Organismus Moleküle bis hin zu ganzen Viren einzufangen und unter Verschluss zu halten.
- Aus den mit hoher Genauigkeit herstellbaren Formen lassen sich theoretisch auch Sensoren entwickeln.
- DNA-Formen können als Baugerüste oder Gussformen dienen, mit denen sich anderen Materialien eine gewünschte Gestalt aufprägen lässt.
- Des Weiteren könnten Origami-Strukturen als Gerüst für leitende Materialien auf Mikrochips oder Halbleitern dienen und diese so noch kleiner machen.
- Ebenso sind Anwendungen als Gerüst für Carbonfasern vorstellbar, die damit mit extremer Genauigkeit in bestimmte Formen gebracht werden könnten.
In Zukunft werden diese künstlichen Nanoroboter bzw. Nanomaschinen vielleicht sogar einen ähnlichen Grad an Effektivität und Komplexität aufweisen wie die natürlichen Nanomaschinen in unseren Zellen. Auf kommende Entwicklungen darf man gespannt sein.
Fazit: Die Zukunft des Origami Engineering
Origami Engineering ist ein relativ neues Feld, dessen innovatives Potenzial immer mehr Hersteller:innen und Ingenieur:innen erkennen. Die Technik lässt sich auf viele andere Anwendungen und Branchen übertragen. Es ist daher in den kommenden Jahren mit einer rasanten Weiterentwicklung des Origami Engineering zu rechnen – im Bereich der Oberflächentechnik, Medizin, Robotik wie auch bei der Gestaltung von innovativen, faltbaren Strukturen und Materialien. So manche Forschungs- und Entwicklungsaufgabe wird deutlich einfacher, wenn man die Techniken des Origami als Analogie für zukunftsweisende Innovationen im eigenen Bereich nutzt.
„Im Ingenieurwesen geht es nicht nur um Berechnungen, sondern auch um Einfallsreichtum. Und Origami befeuert diesen Einfallsreichtum.“ Stavros Georgakopoulos, Professor im Fachbereich Computer und Elektroingenieurwesen, Florida International University.