Wie ein strukturierter Innovationsprozess kreative Ideen schafft

Der Innovationsprozess innerhalb eines Unternehmens läuft unter dem Vorwand der Kreativität häufig chaotisch und unkoordiniert ab. Den Schritt zu einem strukturierten Prozess scheuen allerdings viele Unternehmen. Die Auseinandersetzung mit unternehmensinternen Abläufen und Strukturen bietet jedoch die Chance, langfristig die Innovationsfähigkeit des Unternehmens zu sichern und ein unabhängiges Innovationsmanagement aufzubauen.
Was versteht man unter Innovationsprozess?
Der Innovationsprozess bezeichnet die systematische Umsetzung existierender und/oder neuer Erkenntnisse in marktfähige Lösungen – von der Ideengenerierung und Ideenbewertung über die Realisierung bis hin zur erfolgreichen Markteinführung. Dabei geht es auch darum, wenig zukunftsträchtige Ideen rechtzeitig zu verwerfen, um F&E Ressourcen gezielt einzusetzen und die Innovationstätigkeit auf erfolgversprechende Innovationen zu fokussieren. Ein fundierter Innovationsprozess sollte daher vor allem folgende Merkmale aufweisen:
- Systematisch: Projektorientierte Kombination von diversen Innovationsmethoden (etwa Funnel- oder Suchfeld-Methode)
- Zukunftsorientiert: Integration von Trends aus Markt, Technologie, Branche und Gesellschaft
- Anwenderintegriert: Einbeziehen von Kund:innen, Lieferant:innen oder Zulieferer:innen.
- Ganzheitlich: Abstimmung von Prozess, Methoden, Struktur und Kultur.
Ein ganzheitlicher Innovationsprozess, der über kurzfristige Lösungen hinausgeht, muss auch die Innovationsstruktur und Innovationskultur eines Unternehmens miteinbeziehen. Der Innovationsprozess umfasst somit neben dem Prozess im engeren Sinn auch die Innovationsstruktur und die Innovationskultur. Diese drei Bereiche sind eng miteinander verbunden und erfordern eine entsprechende Abstimmung, wenn es um die durchgängige Gestaltung eines nachhaltigen Innovationsprozesses im Unternehmen geht. Bei der Wahl des Innovationsprozesses ist es auch wichtig zu berücksichtigen, wie offen bzw. geschlossen der Innovationsprozess sein soll.
Innovationsstruktur als Gefäß des Innovationsprozesses
Die Innovationsstruktur verankert den Innovationsprozess in der internen Organisationsstruktur. Personelle Zuständigkeiten, Team-Zusammensetzungen und kritische Managementaufgaben werden anhand folgender Fragen an den Innovationsprozess angepasst:
- Wer darf Ideen einbringen?
- Wer entscheidet über deren Weiterverfolgung?
- Wer entwickelt Ideen weiter?
- Welche Ideen werden innerhalb der etablierten F&E Strukturen weiterverfolgt, und welche Ideen benötigen aufgrund der Innovationsart bzw. des Innovationsgrades anders zusammengestellte Entwicklungsteams?
- Welche Hierarchieebenen müssen in den unterschiedlichen Entwicklungsstufen einbezogen werden?

Eine gut durchdachte Innovationsstruktur ist ein wesentlicher Baustein des erfolgreichen Innovationsprozesses. Das bedeutet allerdings nicht, dass eine komplett neue Struktur aufgebaut werden muss. Ein neues Procedere oder eine neue Teamzusammenstellung kann bereits ausreichend sein.
Innovationskultur als Fundament für eine erfolgreiche Ideenfindung
Als Innovationskultur bezeichnet man eine Unternehmenskultur, die Innovation fördert.
Mitarbeiter:innen sind für die Ideenfindung die wichtigste Quelle, die Innovationskultur ist daher entscheidend für die Innovationsproduktivität und den Innovationserfolg. Drei wesentliche Faktoren schaffen die Voraussetzungen für eine Innovationskultur, in der Mitarbeiter:innen Innovationen vorantreiben:
- Können: Kompetenzaufbau im Bereich Innovationsmethoden
- Dürfen: Geschaffener Freiraum und Strukturen für die Mitarbeiter
- Wollen: Intrinsische Motivation durch spezifische Reize
Welche Vorteile bringt ein strukturierter Innovationsprozess?
Überblicksmäßig lassen sich die Vorteile eines bewusst gestalteten Innovationsprozesses wie folgt zusammenfassen:
- Systematisierung und Strukturierung (Innovationsstruktur) des – meist chaotischen – Entwicklungsprozesses
- Verkürzung der Entwicklungszeit von innovativen Lösungen (Senkung der Time to Market)
- Früherkennung von Flops
- Erhöhung der Erfolgsrate durch Auslese von Projekten
- Verbesserung der internen Kooperation und Kommunikation durch Einbeziehung von verschiedenen Abteilungen und Know-how Träger:innen
- Reduktion von Nacharbeiten und anderen Formen von Verschwendung
- Überblick über laufende Projekte
- Effizienter Umgang mit Ressourcen
- Garantiert die Vollständigkeit des Innovationsprozesses, da kritische Schritte nicht vergessen oder vernachlässigt werden.
Symptombekämpfung versus ganzheitlichen Innovationsprozess
Jedes erfolgreiche Unternehmen verfügt in irgendeiner Weise über einen Innovationsprozess, der die Innovationsfähigkeit und somit auch den Reifegrad des Innovationsmanagements beeinflusst. In vielen Unternehmen sind Innovationsprozesse auf kurzfristige Lösungen bzw. singuläre Projekte reduziert, die zwar einen unmittelbaren Return on Investment bringen, jedoch lediglich als Symptombekämpfung zu werten sind.
Möchte man jedoch langfristig die Innovationsfähigkeit des Unternehmens steigern, muss man sich den unternehmensinternen Innovationsprozess ansehen und einen ganzheitlichen Innovationsprozess etablieren, der mehr beinhaltet als nur die Auflistung von Innovationsvorhaben und Innovationsentwicklung. Erst wenn man sich über den bestehenden Innovationsprozess, die Innovationsstruktur sowie Innovationskultur im Unternehmen grundsätzlich Gedanken macht, schafft man die Voraussetzungen für einen ganzheitlichen Innovationsprozess, der das kreative Potenzial im Unternehmen ausschöpft und langfristig die Innovationsfähigkeit des Unternehmens steigert.
Konkret würde dies zum Beispiel bedeuten, dass sich das Unternehmen klare Innovationsziele setzt und daraus abgeleitet den Innovationsprozess und die dazu passenden Strategien und Methoden festlegt und aufeinander abstimmt – von der Phase der Ideengenerierung bis hin zur Markteinführung. Einzelne Methoden in diesem ganzheitlichen Prozess können dann natürlich auch eine Roadmap oder ein Lead User Projekt sein.
Das Stage Gate Modell
Die bekannteste Form eines systematischen Innovationsprozesses ist der Stage-Gate-Prozess nach Cooper und Kleinschmidt. Das Modell kann als Basis herangezogen werden, um dem Innovationsprozess eine gewisse Disziplin und Systematik aufzuerlegen, die in vielen Unternehmen oft fehlt. Wichtig ist jedoch, die Eigenheiten jedes Unternehmens einzubeziehen und Prozess individuell anzupassen.
Das Modell funktioniert sehr gut für Innovationsgrade und Innovationsarten, die beherrschbar sind. Für Innovationen mit einem sehr hohen Innovationsgrad muss der Prozess in der Regel angepasst werden, da sich die rigide Struktur des Stage-Gate-Modells bei einem komplexen Innovationsvorhaben kontraproduktiv auswirkt. Grundsätzlich empfiehlt sich jedoch auch in diesen Fällen die Orientierung an den Grobstufen, um den notwendigen Rahmen für den Innovationsprozess abzustecken.
Das Stage-Gate-Modell unterteilt den Innovationsprozess in genau definierte Phasen (Stages) und Tore (Gates). Jede Phase beinhaltet bereichsübergreifende Aktivitäten aus dem Aufgabenspektrum verschiedener Funktionsbereiche bzw. Abteilungen eines Unternehmens. Nach Beendigung der einzelnen Phasen werden bei den Gates die Projekte anhand relevanter Entscheidungskriterien im Rahmen einer Meilensteinanalyse (Gates) geprüft, um zu entscheiden, ob sie in die nächste Phase gelangen oder nicht.
Innerhalb des Innovationsprozesses werden vor allem folgende Aspekte beleuchtet:
- Die Ideengenerierung (Funnel oder Suchfeld-Methode inkl. Einbindung von externen Partnern)
- Die Ideenbewertung (im Sinne von Go/NoGo Entscheidungen, aber auch im Sinne von Innovationsgrad und Innovationsart, um dann die weitere Vorgehensweise bestimmen zu können)
- Die frühe Einbindung von externen Partnern für Feedback
- Unterschiedliche Strategien (Prozessschritte) der Weiterverfolgung von Ideen je nach Innovationsart und Innovationsgrad
- Methoden für die jeweiligen Prozessstufen, sodass Mitarbeiter:innen das Rad nicht immer neu erfinden müssen
Somit werden aus der Fülle von Ideen Schritt für Schritt jene herausgefiltert, die erfolgversprechend sind. Dabei werden für jede Phase unterschiedliche Methoden angewendet, die im Gegensatz zu singulären Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind.
Fazit: Klare Struktur verbessern die Ideenfindung
Grundsätzlich geht es bei Innovationsprozessen in Unternehmen darum, einen klaren Rahmen zu schaffen, der festlegt, wie Ideen im Unternehmen eingebracht, wie sie weiterverfolgt und wie sie auf den Markt gebracht werden. Ein strukturierter Prozess, der auch die Innovationskultur und Innovationsstruktur miteinbezieht, eröffnet Möglichkeiten zum Abbau von Innovationsbarrieren und schafft gleichzeitig ein effizientes Innovationsmanagement. Das bedeutet keineswegs, dass an den Grundfesten des Unternehmens gerüttelt werden muss. Es gilt vielmehr, den Ist-Zustand des bestehenden Innovationsprozesses zu analysieren, die notwendigen Veränderungen herauszuarbeiten und gezielt Veränderungen dort zu setzen, wo sie erforderlich sind.