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Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie

Nachhaltigkeit wird auch in der Textilindustrie mittlerweile großgeschrieben. Dabei geht es um mehr als die Verwendung von Bio-Baumwolle und bessere Arbeitsbedingungen.

Die Textilindustrie steht vor einer wachsenden Herausforderung: Bis 2025 wird erwartet, dass sie 25 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen produziert. Angesichts dieser alarmierenden Prognosen ist es unerlässlich, dass die Textilindustrie ihre Produktions- und Verbrauchsmodelle dringend nachhaltiger gestaltet. Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Umsetzung zirkulärer Wirtschaftsprinzipien spielen bei nachhaltigen Ansätzen in der Textilindustrie eine entscheidende Rolle. Anhand von vier Beispiele zeige ich Ihnen, wie Kreislaufwirtschaft erfolgreich in der Textilindustrie eingesetzt werden kann und wo Sie im Innovationsmanagement ansetzen können.

Druck von Seiten der EU

Nachhaltigkeit hat sich zu einem Schlüsselthema für Unternehmen in der Textilindustrie entwickelt und steht ganz oben auf ihrer Agenda. Ein bedeutender Treiber für diese Entwicklung ist der Druck von Seiten der Europäischen Union. Die Zielsetzung, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen und die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030, um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, setzt die Branche unter Zugzwang. Mit Initiativen wie dem Green Deal und dem Circular Economy Action Plan hat die EU das Thema Kreislaufwirtschaft zu einem zentralen Schwerpunkt ihrer Agenda gemacht. Immer mehr rücken die Kreislaufwirtschaftsmodelle in den Fokus der Politik.

 

Was ist die Kreislaufwirtschaft?

Die Kreislaufwirtschaft ist ein Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem Produkte und Materialien so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Auf diese Weise wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert und Ressourcen geschont. Die Kreislaufwirtschaft hat das Potenzial, regionale Wertschöpfung zu steigern, Arbeitsplätze zu schaffen und Wirtschaftskreisläufe zu festigen, besonders in Zeiten von Krisen und Ressourcenknappheit.

 

4 Beispiele für Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie

1. Recycling: Zerlegung der Fasern

Beim Recycling von Textilien können Produkte in ihre Bestandteile zerlegt werden, um neue Waren oder zusätzliche Kleidung herzustellen. Klingt einfach, ist es aber nicht. Die größte Herausforderung beim Recycling von Textilien ist die Materialvielfalt. Kleidungsstücke bestehen oft aus verschiedenen Geweben, Kleinteilen, Verzierungen wie Knöpfe oder Reißverschlüsse und eine Vielzahl an unterschiedlichen Rohstoffen, was den Recyclingprozess erschwert und unrentabel macht. Für viele Unternehmen erfordert es eine intensive Auseinandersetzung mit bestehenden Prozessen und resultiert meist in Prozessinnovationen; eine der vielen Innovationsarten, die Unternehmen die Möglichkeit bietet, ihr bestehendes Geschäft auszubauen. Beispiele für solche innovativen Ansätze sind das mechanische Recycling oder das chemische Recycling. Beim mechanischen Recycling werden gebrauchte Textilien mechanisch zerkleinert und zu neuen Fasern verarbeitet, wodurch die Materialien wiederverwertet werden. Beim chemischen Recycling hingegen werden Textilien chemisch behandelt, um die Fasern aufzubrechen und in ihre Ausgangsstoffe zurückzuführen, was eine hochwertige Wiederverwendung ermöglicht.

Abb. 1: Evrnu – Unternehmen für Recycling-Textilinnovationen

Ein Beispiel für ein Unternehmen, das erfolgreich chemisches Recycling von Textilien verwendet, ist "Evrnu". Im Textilrecycling hat Evrnu eine Technologie entwickelt, um Alttextilien in hochwertige Fasern umzuwandeln. Durch ein chemisches Verfahren werden gebrauchte Baumwollfasern isoliert und in neue Fasern umgewandelt, die dann zur Herstellung neuer Textilprodukte verwendet werden können.

 

2. Reuse: Wiederverwendung von Textilien 

In der Kreislaufwirtschaft spielt die "reuse"-Komponente eine spannende Rolle. Dabei geht es darum, Textilien und Kleidungsstücke wiederzuverwenden, anstatt sie nach dem Gebrauch wegzuwerfen. Hier können Unternehmen von einigen Vorteilen profitieren. Sie können nicht nur den Abfall und die Produktionskosten reduzieren, sondern auch die Kund:innenbindung durch nachhaltige Praktiken stärken. Unternehmen die hier Potenziale sehen, können beispielsweise mit Service Design Angebote ausarbeiten, um Kund:innen oder Konsument:innen zu binden. Auch in diesem Bereich gibt es bereits innovative Ansätze, wie die Technologien zur Aufbereitung und Reinigung von gebrauchten Textilien, um deren Lebensdauer zu verlängern. Beispielsweise durch den Verleih oder die Vermietung von Kleidung entstehen neue Geschäftsmodelle, die nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Vorteile bieten. Trotz der Fortschritte sind weitere Innovationen erforderlich, insbesondere im Bereich der Designoptimierung für langlebigere und leichter recycelbare Produkte sowie in der Logistik für die Rücknahme und Wiederverwertung von Textilien.

Abb. 2: Worn Wear – Tausch, Reparatur und Kauf von gebrauchter Patagonia Kleidung und Ausrüstung

Ein erfolgreiches Beispiel für ein Unternehmen, das auf „reuse“ setzt, ist Patagonia. Die Outdoor-Marke hat ein Programm, namens „Worn Wear“ eingeführt, das Reparaturdienste und den Verkauf von gebrauchter Kleidung umfasst. Das Ziel ist es, die Lebensdauer der Kleidung zu verlängern und die Ressourcennutzung zu maximieren.

 

3. Repair: Reparatur beschädigter Textilprodukte

Beim „repair“-Aspekt geht es darum, beschädigte oder abgenutzte Textilprodukte zu reparieren, anstatt sie wegzuwerfen. Die Reparatur trägt dazu bei, die Umweltbelastung durch verlängerte Produktlebenszyklen zu senken. Immer mehr innovative Technologien und Verfahren werden entwickelt, um die Reparatur von Textilien effizienter und qualitativ hochwertiger zu gestalten. Dazu zählen automatisierte Reparatursysteme und die Verwendung innovativer Materialien für haltbarere Produkte.

Ein Beispiel für ein Unternehmen, das diesen Ansatz erfolgreich umsetzt, ist die Bekleidungsmarke Nudie Jeans. Sie hat ein umfangreiches Reparaturprogramm namens "Nudie Jeans Repair Shops" eingeführt, um ihren Kund;innen Reparaturen anzubieten und so die Lebensdauer ihrer Produkte zu verlängern. Falls kein Repair Shop in der Nähe der Kund:innen verfügbar ist, bieten sie außerdem ein kostenloses Repair Kit an.

Für Unternehmen aus anderen Brachnen (z.B. Maschinenbau oder Prozesstechnik) bieten sich hier Chancen, durch New Business Development neuer Geschäftsfeld als Lösungsanbieter für die Textilbranche zu erschließen.

 

4. Renting: Vermietung von Kleidung und Textilien

Im Kontext der Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie spielt das „Renting“ eine immer bedeutendere Rolle. Hierbei geht es darum, dass Kund:innen Kleidung und Textilien mieten können, anstatt sie zu kaufen. Wie oben schon kurz erwähnt, bieten dabei Unternehmen die Möglichkeit, Kleidungsstücke für einen bestimmten Zeitraum zu nutzen, um sie anschließend zurückzunehmen, zu reinigen, zu reparieren und erneut zu vermieten. Die Vorteile für Unternehmen sind vielfältig: Neben einer stetigen Einnahmequelle durch wiederkehrende Mieteinnahmen ermöglicht das Modell eine Reduzierung von Produktionskosten und Abfall. Zudem fördert es eine nachhaltige Lebensweise bei den Verbraucher:innen, indem der Konsum von Einwegkleidung reduziert wird. Im Zuge dieser Entwicklung entstehen innovative Geschäftsmodelle für flexible Mietoptionen, die Integration von Technologien zur Verfolgung und Reinigung von Mietartikeln sowie das Design von Kleidung, die für den wiederholten Einsatz und Reinigung optimiert ist. Damit die Kleidung diesen Ansprüchen genügt, kann man hier mit der Lead User:innen Methode an neuen Konzepten arbeiten. Diese Ausgangssituation ist ideal, um beispielsweise mit Fachleuten aus analogen Bereichen neue Lösungen zu erarbeiten.

Ein Beispiel für ein Unternehmen, das erfolgreich „renting“ umsetzen konnte, ist „Rent the Runway“. Dieser Online-Dienst vermietet Designerkleidung und Accessoires und bietet Kund:innen die Möglichkeit, ihre Garderobe zu erweitern, ohne viele Einzelteile kaufen zu müssen.

Fazit: So können Innovationen in der Kreislaufwirtschaft aussehen

Die vier vorgestellten Beispiele spiegeln die vier wichtigsten Säulen der Kreislaufwirtschaft wider. Um hier systematisch an Innovation zu arbeiten, können folgende Ansätze im Innovationsmanagement genutzt werden:

  • Prozessinnovation in der Herstellung und Verarbeitung von Textilien und Ausgangsprodukten.
  • Mit Service Design neue Kund:innenerlebnisse schaffen, da auch für Endkund:innen das Konzept greifbar und intuitiv sein muss.
  • New Business Development für Unternehmen aus analogen Branchen, z.B. Maschinenbau oder Prozesstechnik.
  • Lead User:innen Methode, damit Produkt- und Dienstleistungsinnovationen in der Textil- und Modeindustrie den neuen Anforderungen aufgrund der Kreislaufwirtschaft gerecht werden. Das kann von Design bis zum Verkauf gehen.

Initiativen wie der Green Deal und der Circular Economy Action Plan müssen kein Hindernis für Unternehmen sein. Innovationsverantwortliche müssen verstehen, wie sie die neuen Rahmenbedingungen in Strategien umwandeln können, um Kreislaufwirtschaft zu einem Erfolgsfaktor für das eigene Unternehmen zu machen.

 

 

Pauline Schmidt

Pauline hat einen ganzheitlichen Blick auf die Zukunft. Die Researcherin zeichnet mit ihren Ausbildungen in Psychologie und Sustainable Design ein klares Bild von Technologien, Trends und Märkte. Sie übersetzt – kreativ und analytisch zugleich – den Expert:inneninput in nächste Schritte für Ihr Innovationsvorhaben.
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