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Der verpackungsfreie Supermarkt – Trend oder Zukunft?

Früher war es ganz normal, beim Greißler bzw. der Greißlerin um die Ecke Lebensmittel ohne Verpackung zu kaufen. Heute stellt das eher die Ausnahme dar. Seit einigen Jahren entstehen nun immer mehr Geschäfte, die ausschließlich unverpackte Produkte anbieten. Der verpackungslose Supermarkt liegt im Trend – welche Chancen er hat und wie sich dieser Trend auf die Verpackungsindustrie auswirkt, beleuchten wir in diesem Beitrag.

 Der verpackungsfreie Supermarkt wird zwar von einer Mehrheit der Konsumenten begrüßt, den dafür nötigen Mehraufwand möchte aber nur eine Minderheit bezahlen.
Der verpackungsfreie Supermarkt – Trend oder Zukunft?
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Ein kurzer Blick in die Entstehungsgeschichte

Pionier dieses Trends war die kanadische Einzelhandelskette Bulk Barn, die bereits 1982 das erste Geschäft eröffnete und mittlerweile stattliche 250 Verkaufsfilialen mit mehr als 4.000 Produkten betreibt. Es dauerte allerdings ganze 25 Jahre bis diese Idee auch in Europa aufgegriffen wurde. Im Jahr 2007 eröffnete in London unpackaged als erstes europäisches Unternehmen ein Geschäft mit unverpackten Lebensmitteln.

Seit 2014 ist der Trend auch im deutschsprachigen Raum angekommen. In Wien öffnete im Frühjahr 2014 mit der Lunzers Maß-Greißlerei der erste verpackungsfreie Supermarkt Österreichs und in Berlin sorgten die Gründerinnen von Original Unverpackt mit ihrem Geschäft für einen großen Medienrummel. Mittlerweile haben sich in nahezu jeder Landeshauptstadt und auch kleineren Städten Österreichs verpackungsfreie Supermärkte etabliert.

 

Wie der verpackungsfreie Supermarkt bei Konsumenten ankommt

Price, Waterhouse & Co. (PwC) hat den Trend in der Studie „Verpackungsfreie Lebensmittel – Nische oder Trend?" näher beleuchtet. Für die repräsentative Verbraucher:innenbefragung wurden 1.000 Personen über 18 Jahren befragt. Wie die Studie zeigt, steht die große Mehrheit der Umfrageteilnehmer:innen der Idee sehr positiv gegenüber – acht von zehn Kund:innen wären bereit, beim Kauf von Lebensmitteln auf Verpackungen zu verzichten:

  • 82 Prozent der Konsument:innen sind dazu bereit, verpackungsfrei Lebensmittel einzukaufen.
  • 63 Prozent wünschen sich ein größeres Angebot verpackungsfreier Lebensmittel in herkömmlichen Supermärkten.
  • 35 Prozent würden einen Supermarkt bevorzugen, der ausschließlich verpackungsfreie Lebensmittel anbietet.
  • 18 Prozent können sich nicht vorstellen, auf Verpackungen zu verzichten.

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Grafik: © PWC, Studie „Verpackungsfreie Lebensmittel – Nische oder Trend?"

Umweltbewusstsein als Hauptmotiv

Verpackungsmüll reduzieren und die Umwelt schonen – das ist für 64 Prozent der Umfrageteilnehmer:innen das entscheidende Argument für einen verpackungsfreien Einkauf. An zweiter Stelle folgt mit 54 Prozent die Möglichkeit, eingekaufte Mengen besser portionieren zu können. Die Täuschung durch „Mogelverpackungen“ ist für 47 Prozent ein wesentlicher Grund, zu verpackungsfreien Produkten zu greifen.

Kund:innen nehmen Mehraufwand in Kauf

Der verpackungsfreie Supermarkt bedeutet einen Mehraufwand für Kund:innen: Sie müssen zum Supermarkt fahren, Gefäße von zu Hause mitbringen und die einzelnen Produkte selbst abfüllen. Immerhin 52 Prozent würden einen längeren Anfahrtsweg in Kauf nehmen und für die überwiegende Mehrheit von 67 Prozent stellt das Umfüllen in eigene Gefäße kein Problem dar. Lediglich 33 Prozent empfinden es als unpraktisch.

Angaben zum Produkt werden vermisst

Nachteile des verpackungsfreien Einkaufs sehen viele Kund:innen in den fehlenden Informationen zu Inhaltsstoffen und zur Haltbarkeit (41 Prozent). Auch sind 34 Prozent der Meinung, dass sich verpackte Lebensmittel besser lagern lassen.

Die Art der Ware spielt eine Rolle

Die Bereitschaft der Konsument:innen zum Verzicht auf Einwegverpackungen ist bei Obst und Gemüse (92 Prozent) sowie Backwaren (89 Prozent) am höchsten. Rund 71 Prozent würden auch Trockenprodukte wie Reis, Mehl oder Teigwaren unverpackt kaufen. Bei Molkereiprodukten und flüssigen Lebensmitteln wie Essig, Öl oder Säften sind Konsument:innen allerdings noch sehr zurückhaltend. Lediglich rund 15 Prozent würden diese Produkte in eigenen Behältnissen abfüllen.

Nur ein Drittel zahlt höheren Preis

Verpackungsfreie Produkte sind im Vergleich zum normalen Supermarkt teilweise etwas teurer, weil sie oftmals nicht auf Standardwegen abgefüllt, transportiert und gelagert werden können. Die Bereitschaft der Verbraucher:innen, diese Mehrkosten mitzutragen, ist allerdings nur schwach ausgeprägt. Lediglich 31 Prozent der Befragten wären bereit, einen höheren Preis für verpackungsfreie Lebensmittel zu bezahlen. Davon akzeptieren 18 Prozent eine Preissteigerung bis zu fünf Prozent, bei einem Aufschlag von 10 bis 20 Prozent sind es nur mehr drei Prozent der Befragten.

Wie nachhaltig ist unverpackt einkaufen?

Der verpackungsfreie Supermarkt kommt offenbar beim Konsument:innen gut an. So mancher wird sich allerdings schon gefragt haben, ob der verpackungsfreie Supermarkt im Vergleich zum normalen Supermarkt tatsächlich auch umweltfreundlicher ist. Christina Scharpenberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Göttingen, ist dieser Frage im Rahmen ihrer Masterarbeit und in enger Kooperation mit dem deutschen Pionierunternehmen Original Unverpackt auf den Grund gegangen.

Ökobilanz über die gesamte Wertschöpfungskette

Im Fokus der Forschungsarbeit stand die Beantwortung der Frage, ob die Umweltbelastung durch verpackungsfreie Original Unverpackt-Produkte im Vergleich zu konventionellen Vertriebswegen und Verpackungen tatsächlich geringer ist.

Die ökobilanzielle Abschätzung potenzieller Umweltfolgen erforderte daher die Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette – von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung und Nutzung eines Produktes bis hin zur Entsorgung. Dabei wurde auch die Reinigung der Mehrwegbehälter durch Original Unverpackt einbezogen und die Tatsache berücksichtigt, dass viele Kund:innen die Pfandgläser nicht zurückbringen:

  1. Die Emissionen sämtlicher Prozessabschnitte wurden diversen Wirkungskategorien (z.B. dem Klimawandel) zugeordnet.
  2. Anschließend wurden die Emissionen je Wirkungskategorie auf eine identische Einheit verdichtet (den Indikatorwert, z.B. CO2-Äquivalente).
  3. Die Indikatoren ermöglichten die Ableitung des Umweltschädigungspotenzials eines Produktes innerhalb der jeweiligen Wirkungskategorie.

Insgesamt sechs Wertschöpfungsketten von „Original Unverpackt“-Verpackungssystemen wurden mithilfe einer Ökobilanzierungssoftware mit der Wertschöpfungskette eines jeweils vergleichbaren Produktes in einer Einwegverpackung verglichen. 

Die Ergebnisse überraschen

Die aufwändige Ökobilanz fällt insgesamt positiv aus. Vier der sechs getesteten Verpackungsstrategien von Original Unverpackt sind tatsächlich den herkömmlich verpackten Produkten überlegen. So können etwa Nudeln und Chia-Samen die Umweltbelastung um 18 Prozent bzw. 40 Prozent reduzieren. Auch kosmetische Produkte wie Duschgel und Handspülmittel überzeugen mit einer Reduktion von 34 Prozent bzw. 27 Prozent.

Als problematisch erwies sich hingegen die aufwändige Reinigung der Behälter für die Fruchtbären, die einen negativen Einfluss auf die Ökobilanz verursacht. Durch den direkten Verkauf der Fruchtbären aus dem Großgebinde kann hier das Ökobilanzergebnis verbessert werden. Auch Tofu, das aufgrund erhöhter Hygienevorschriften in einem Mehrweg-Pfandglas verkauft wird, schneidet merklich schlechter ab als die Vergleichspackung. Verantwortlich dafür ist vor allem die relativ aufwändige Glasproduktion.

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 Grafik: © Original Unverpackt

Verpackungsfrei – die Zukunft der Supermärkte?

Die Idee des verpackungsfreien Supermarkts wird in der Verpackungsindustrie kritisch gesehen. Sicherer Transport, Hygiene, Haltbarkeit oder Kennzeichnung sind nur einige Themen, die als problematisch bewertet werden. Gerade bei Kosmetika, pharmazeutischen und hygienisch anfälligen Produkten kann man nicht auf Verpackungen verzichten. Auch erwarten Kund:innen eine Vielzahl an Produkten, die ein verpackungsfreier Supermarkt nicht bieten kann. Hinzu kommt natürlich auch die Funktion der Verpackung als Marketinginstrument.

Laut Einschätzung von PwC-Partner Gerd Bovensiepen ist der verpackungsfreie Supermarkt allerdings keineswegs ein Nischenthema für eine ökologisch bewusste Elite, sondern hat die breite Bevölkerung erreicht. Darüber hinaus sieht er auch für kleine regionale Erzeuger Marktpotenzial. In den vergangenen Jahren sei auch ein stetiges Wachstum der Anzahl von Verpackungen zu beobachten, teilweise bedingt durch die Zunahme von Single-Haushalten und dem Trend zu Convenience-Produkten. Allmählich zeichne sich aber eine Trendwende ab, die der Handel ebenso wie die Verpackungsindustrie durchaus ernst nehmen sollten, um rechtzeitig auf die Wünsche der Kund:innen reagieren zu können. Da sich das Verbraucher:innenbewusstsein verändert hat, müsse die Branche durch den sparsameren Einsatz von Materialien und die Entwicklung innovativer Verpackungslösungen reagieren – was auch in vielen Bereichen bereits geschehe.

Fazit – Ein vielschichtiges Thema

Das Thema „Verpackungen und Müllvermeidung“ ist ein vielschichtiges Thema. Der verpackungsfreie Supermarkt wird zwar von einer Mehrheit der Konsumenten begrüßt, den dafür nötigen Mehraufwand möchte aber nur eine Minderheit bezahlen. Gleichzeitig steigt durch die Auflösung fester Mahlzeiten, Single-Haushalte und Zeitmangel der Verbrauch von Einwegverpackungen und Convenience-Produkten. Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen in Online-Shops bestellen, was den Verpackungsmüll zusätzlich ansteigen lässt. Letztlich wird wohl nur das Zusammenspiel von innovativen, nachhaltigen Verpackungslösungen und verändertem Verbraucher:innenverhalten den Verpackungsmüll merklich reduzieren.

 

Pauline Schmidt

Pauline hat einen ganzheitlichen Blick auf die Zukunft. Die Researcherin zeichnet mit ihren Ausbildungen in Psychologie und Sustainable Design ein klares Bild von Technologien, Trends und Märkte. Sie übersetzt – kreativ und analytisch zugleich – den Expert:inneninput in nächste Schritte für Ihr Innovationsvorhaben.
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