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Smart Textiles bringen das Comeback der europäischen Textilindustrie

Wir kennen smarte Telefone, aber intelligente Gewebe und Fasern? „Smart Textiles“ sind die neuen Stars der Textilindustrie, die schlauen Stoffe. Sie warnen vor Krankheiten, übertragen Daten und speichern Energie. Wie eine totgeglaubte Branche mit Mut zur Innovation ein beeindruckendes Comeback erlebt.

Die wichtigste Aufgabe des Innovationsmanagements in der Textilindustrie ist das Realisieren von Smart Textiles und Wearables, denn dort liegt das größte Zukunftspotential.


Zwar ist die Herstellung von Textilien beinahe so alt wie die Menschheit selbst und auch die Industrialisierung fand ihren Anfang im 18. Jahrhundert mit automatisierten Spinn- und Webmaschinen. Dennoch galt die Branche im deutschsprachigen Raum vor gut 15 Jahren als unrettbar verloren. Produktionsrückgänge durch die Verlagerung ins lohnkostengünstigere Ausland - vornehmlich in asiatische Länder – verursachten Anfang der Siebzigerjahre einen Niedergang der heimischen Textilindustrie, den nicht einmal jeder siebte Betrieb überlebte.

Und doch macht die Branche heute wieder Umsätze wie in den früheren Hochzeiten. Die Unternehmen haben den Strukturwandel offensiv als Herausforderung angenommen und sich mit einer Spezialisierung auf innovative Produkte und einem entschlossenen Kampf um die weltweite Innovationsführerschaft aus der Krise gerettet.

Bei technischen Textilien die Nase vorn

Rund ein Drittel der Umsätze machen die Textilbetriebe nach Angaben des Deutschen Verbandes Textil und Mode inzwischen mit Neuheiten und kämpfen so mit Spitzenprodukten gegen die ausländische Billigkonkurrenz. Dabei sind die stärksten Umsatztreiber die sogenannten Technischen Textilien, also High-Tech-Fasern und -Gewebe für Unternehmenskunden.

Der Begriff Technische Textilien diente zwar ursprünglich als Abgrenzung zu traditionellen Bekleidungs- und Heimtextilien. Das heißt, es waren vorrangig Textilien für die Verwendung z.B. im Fahrzeugbau oder in der Bauwirtschaft gemeint. Diese begriffliche Trennung ist allerdings nicht mehr aufrecht zu erhalten. Zu sehr etablieren sich die schlauen Fasern und Gewebe sowohl in traditionellen wie auch in gänzlich neuen Einsatzbereichen.

 

Wearables bringen den nächsten Innovationsschub

Textilien können heute Temperatur messen, Strom produzieren und Wärme erzeugen. Sie töten Bakterien, heilen Wunden und retten demnächst womöglich Menschenleben: Dank neuer High-Tech-Fasern sollen T-Shirts schon bald die verschiedensten Vitalfunktionen überwachen und im Notfall per Funk den Arzt rufen können. Ältere Menschen können mit solcher Bekleidung ausgestattet länger in der eigenen Wohnung leben.

Gerade die Medizintechnik ist ein vielfältiges Einsatzgebiet für innovative Textilprodukte. Von antibakterieller Bekleidung bis zu heilenden Verbänden. Genau so einen Verband hat der Biologe Gregor Hohn an den baden-württembergischen Hohenstein-Instituten entwickelt. Die Wundauflage setzt bei Kontakt mit der Haut Arzneien in vorbestimmten Dosen frei.

Einige der innovativen Kleidungsfunktionen brauchen noch externe Batterien, aber auch dieses Problem sollte bald gelöst sein. Dann werden Textilien ihren eigenen Strom erzeugen und sogar speichern können.

Materialforscher Liwei Lin von der University of California will dazu winzigen Drähten aus einem Stoff namens Polyvinylidenfluorid (PVDF) den sogenannten Piezoeffekt antrainieren, der die bei Verformung entstehende Bewegungsenergie in Strom umwandelt. Dann produziert das Gewebe Strom, sobald es bewegt wird und könnte damit zum Beispiel einen MP3-Player betreiben.

Wie kommt der Strom ins T-Shirt?

Aber sogar in Akkus sollen Textilien verwandelt werden. Es gibt bereits Farbstoffe für Gewebe, die Strom speichern können. In ein paar Jahren wird es vielleicht soweit sein, dass man sein T-Shirt abends ans Ladekabel ansteckt. Aber auch das kann dann vielleicht bei entsprechend sportlicher Bewegung nicht mehr nötig sein.

Die Bereiche, in denen innovative textile Produkte zum Einsatz kommen, sind tatsächlich beinahe unbegrenzt. Naheliegend sind natürlich Haus- und Heimtextilien: Schmutz- und wasserabweisende Vorhänge und Markisen. Antibakterielle Fasern, die Matratzen vor Hausmilben oder anderen Schädlingen schützen oder Teppichböden, die Schadstoffe der Umgebungsluft (z.B. Nikotin) in unbedenkliche Stoffe umwandeln.

Innovationen für die Automobil- und Bauwirtschaft

Auch der Fahrzeugbau ist einer jener Bereiche, die vom Einfallreichtum in den Textillabors profitieren. Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff (CFK) ist hier ein gutes Beispiel: Geringes Gewicht bei gleichzeitig hoher Festigkeit und geringer Anfälligkeit für Temperaturschwankungen machen dieses Material perfekt für den Einsatz im Flugzeug- oder KFZ-Bau. So konnte zum Beispiel das Gewicht des Airbus A 380 durch den Einsatz von CFK um rund 25% gegenüber der herkömmlichen Bauweise gesenkt werden.

Die Bauwirtschaft wird kaum mit innovativen Textilien assoziiert. Aber auch hier tut sich viel: Beton wird statt mit Stahl mit Textilien bewehrt. Man erreicht damit größere Spannweiten etwa bei Brücken. Mit nahtlosen Textilschläuchen werden baufällige Kanäle renoviert, mit sogenannten Geo-Textilien werden Böschungen oder Uferzonen befestigt.

Fazit: Smart Textiles und die Rolle der Branche

Gerade die Textilindustrie hat in den letzten Jahren von einer wahren Innovationsflut profitiert und hat damit bewiesen, dass krisengeschüttelte Branchen durch die Bereitschaft, mutig innovative Wege zu gehen nicht nur überleben, sondern auch erstarken können. Kreativität in den herkömmlichen Bereichen wie Bekleidung oder Heimtextilien, aber auch völlig neue Einsatzgebiete in der Medizin oder der Fahrzeug- und Bauindustrie erschließen neue Kund:innengruppen und Absatzmärkte. Das größte Zukunftspotential aber liegt in den Smart Textiles und Wearables. Dieses zu realisieren ist heute die wichtigste Aufgabe des Innovationsmanagements in der Textilindustrie.

 

 

Pauline Schmidt

Pauline hat einen ganzheitlichen Blick auf die Zukunft. Die Researcherin zeichnet mit ihren Ausbildungen in Psychologie und Sustainable Design ein klares Bild von Technologien, Trends und Märkte. Sie übersetzt – kreativ und analytisch zugleich – den Expert:inneninput in nächste Schritte für Ihr Innovationsvorhaben.
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